Vorsicht Arzt?

3d white people as doctorAusgangssituation

Der Schwur des Hippokrates verpflichtet zur Hilfe bei Krankheiten. Dass daraus schon lange ein gewinnträchtiger Beruf geworden ist wird flächendeckend unterstellt. Doch was in den 70er und 80er Jahren durch verschiedenste Gesundheitsreformen  immer mal wieder ein wenig begrenzt wurde erfuhr spätestens Ende der 90er Jahre und vor allem in den letzten 15 Jahren massivere Einschnitte.

Denn die von mir in jedem Gespräch aufgezeigte demografische Entwicklung kann nicht ohne Spuren bleiben. Viel zu gut wird die Grundproblematik des Umlageverfahrens von Politik und Medien verniedlicht. Nein, es geht schon lange nicht mehr um Wartezeiten bei einem Schnupfen. Es geht um die Entlohnung unseres Gesundheitswesens. Einerseits um  die Bezahlbarkeit von immer neuer Spitzenmedizin, aber auch um die Entlohnung unserer Ärzte und Leistungserbringer zu ermöglichen.

Praxisfälle: Operationen

Praxisfall: Nachuntersuchung

Zusammenfassung

Lösung & Fazit

Hatte ein Hausarzt noch in den 90er Jahren für eine ganz normale Sprechstunden-Untersuchung z.B. 10 Minuten bei einem grippalen Infekt zwischen 10-15,-€ abrechnen können, waren es im Jahre 2006 noch ca. 1,53 €. Würden Sie dafür arbeiten? Eine Praxis unterhalten und das unternehmerische Risiko eingehen? Gut dass unsere Ärzte auf Hippokrates geschworen haben und schnell lernten zusätzliche IGEL Leistungen dazu zu verkaufen. Noch besser ist selbstverständlich die Spezialisierung auf Privatpatienten. Denn hier wird noch immer nach gültiger GOÄ (Gebühren Ordnung Ärzte) ein Betrag zwischen 20 und 30,-€ abgerechnet.

Doch findige Ärzte stellten sehr schnell fest, dass man durchaus noch weitere Dienstleistungen und verschiedene Positionen nebeneinander abrechnen und verkaufen kann. So werden aus dem gleichen Termin auch schnell einmal 100 bis 200,-€ und aus Operationen für 750,-€ Rechnungen i.H.v. 6000 bis 9000,-€. Sie glauben das sei übertrieben oder es handele sich hierbei um Einzelfälle? Leider können wird dieser Vermutung nicht mehr folgen. Was bereits vor 10 Jahren zu Skandalen im Krankenhauswesen und bei Zahnärzten führte, erleben wir aktuell in den unterschiedlichsten medizinischen Bereichen. Auch aus den Leistungsabteilungen der Versicherer erfuhren wir im persönlichen Gespräch von gleichen Erfahrungen. So berichtete uns ein Vorstand, dass es Verrechnungsstellen gibt welche ganz automatisch etwa doppelt so teure Rechnungen erstellen würden als rechtlich zulässig. Nach der Rechnungsablehnung komme innerhalb von 24 Stunden ganz selbstverständlich ein Vergleichsvorschlag. Auch dieser sei noch weit von der reellen Forderung entfernt. Und jedes Mal entsteht von neuem die Frage ob man dagegen juristisch vorgehen solle oder nicht?

Daher möchten wir hier von unserer ganz persönlichen Erfahrung – beispielhaft einer Meniskusoperation berichten.

Zunächst hatten mich im letzten Jahr drei unterschiedliche Mandanten aus Köln, Mainz und Karlsruhe auf die etwa gleiche Diagnose und eine Operation angesprochen. In jedem dieser Fälle war eine Operation selbstverständlich medizinisch angeraten.

Praxisfälle Operationen

Im ersten Fall rief unser Mandant nach der Erstuntersuchung in einer bekannten Spezialklinik des Nordschwarzwaldes mit der Frage nach seinen AGB´s an. Ganz verwundert erfuhr ich, dass die Klinik bereits beim Ersttermin diese Unterlagen mit dem Hinweis einforderte, dass man auf jeden Fall eine überteuerte Rechnung ausstellen werde und diese gerichtlich einklagen wolle. Der Patient würde schadensfrei bleiben und solle sich keine weiteren Sorgen machen. Auf Grund des guten Rufes dieser Spezialklinik ließ sich unser Mandant darauf ein und meldete sich erst über ein halbes Jahr nach der OP wieder. Jetzt komplett entgeistert mit dem Vorwurf, dass sich der Versicherer wohl weigern würde diese Rechnungen zu bezahlen. So habe unser Mandant bereits einen ganzen Leitzordner voller Briefe gesammelt und wisse nicht mehr weiter. Zum Glück konnten wir helfen und den Versicherer als direkten Ansprechpartner einbringen. Wie diese Geschichte zu Ende ging ist unserem Mandanten nicht bekannt, der Versicherer hatte unseren Mandanten ja frei gestellt. Wenig später erfuhren wir von einem Kollegen nahezu die gleiche Geschichte aus dieser Klinik. Hier habe der Kunde wohl im gleichen Krankenhaus, jedoch in einem anderen Haus übernachtet. So wurde laut Sekretariat der Klinik aus 750,-€ eine Gesamtrechnung i.H.v. 9000,-€. So gesehen ging es unserem Mandanten mit einer 6000,-€ Rechnung noch relativ gut!

Wenig später  hörten wir von unserem Mandanten aus Mainz ähnliche Probleme. Auch hier wurden über 2500,-€ abgerechnet (Nur?). Grundlage und Problem zugleich ergab sich aus der zu Grunde liegenden GOÄ. Denn hier wurden GOÄ Ziffern hilfsweise nebeneinander abgerechnet, welche in dieser Kombination nicht möglich sind. Für den Arzt eine unglückliche Situation. Denn wie kann er erbrachte Leistungen anders abrechnen, wenn es dafür juristisch keine Grundlage gibt. Unglücklich für den Patienten, der in der Diskussion nun zwischen Versicherer und Arzt steht und auf weitere Behandlung baut? Unglücklich für den Versicherer, welcher die Verantwortung für stabile Prämien trägt und nur abrechnen darf, was juristisch auch zulässig ist. Zum Glück hatte unser Mandant noch keine Rechnung bezahlt. So konnten wir in Abstimmung zwischen Mandant, Krankenhaus und Versicherer einen Kompromiss herstellen, welcher jedem Beteiligten angemessen erschien. Doch ohne qualifiziertem Berater/ Betreuer und seriösem Versicherer wäre diese Geschichte wohl auch schnell anders ausgegangen.

Last but least hatten wir in unserem Kölner Fall nochmals eine überhöhte Rechnung zu beklagen. Hier bezahlte unser Mandant jedoch im guten Glauben den angeforderten Betrag sofort und reichte diese Rechnung ein. Wenig später erschien die Abrechnung des Versicherers mit massiven Kürzungen. Auch hier wurden über 1900,-€ in Rechnung gestellt und lediglich berechtigte 750,-€ durch den Versicherer abgerechnet.

Zum Glück konnten wir durch einen zufälligen Anruf unseres Mandanten von dieser Geschichte erfahren und ebenfalls einwirken. Nachdem die Rechnungen jedoch schon längst bezahlt waren und der Patient juristisch Vertragspartner des Arztes/ Krankenhauses ist, wäre er gezwungen gewesen gerichtliche Schritte zur Herausgabe der zu viel geforderten Rechnungen anzustreben. Sicher keine schöne Lösung nach einer Operation. Die Frustration war verständlich und konnte durch einen mehr als kulanten Versicherer aufgefangen werden. Hier wurde nach Einreichung einer Abtretungserklärung und dem Nachweis der bezahlten Rechnung sofort der zu viel gezahlte Betrag an den Mandanten ausbezahlt. Jetzt wird der Versicherer in seiner Größe und Erfahrung die juristischen Schritte einleiten und die überhöhten Beträge zurückfordern.

Praxisfall: Ambulante Nachuntersuchung

Üblicherweise wird einige Zeit nach Operationen eine Nachuntersuchung sinnvoll sein. Häufig einige Tage oder Wochen später. In unserem Kölner Fall wurde diese jedoch erst Monate nach der OP angeraten. Weiter nicht auffällig. Allerdings verwunderten mich bereits verschiedene Formulierungen und so ließen wir das Schreiben mit folgendem Ergebnis vom Versicherer prüfen (Hier können Sie das Schreiben als PDF öffnen).

Die Antwort des Versicherers:

Nach §2 (2) der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) Absatz 1 Satz 1 ist nach persönlicher Absprache zwischen Arzt und Zahlungspflichten im Einzelfall eine schriftliche Vereinbarung vor Erbringung der Leistung des Arztes zu treffen.

Diese muss neben den Gebührenziffern, der Bezeichnung der Leistung, dem Steigerungssatz und dem vereinbarten Betrag auch die Feststellung enthalten, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist.

Weitere Erklärungen darf die Vereinbarung nicht enthalten. Der Arzt hat dem Zahlungspflichten einen Abdruck der Vereinbarung auszuhändigen.

Wir weisen darauf hin, dass die Honorarvereinbarung gemäß dem o.g. Punkten nicht richtig erstellt worden ist. Die Angaben der Steigerungssätze sowie die teils analoge Kennzeichnung der Gebührenziffern sind nicht enthalten. Eine Transparenz für den Zahlungspflichtigen ist somit nicht gegeben.

In Bezug auf die Honorarvereinbarung empfehlen wir Ihnen, die in Ansatz gebrachten Ziffern in diesem Umfang nicht anzuerkennen. Die Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung über die Höhe der Vergütung entbindet den Arzt nicht von seiner Verpflichtung, das ärztliche Berufsrecht und damit auch § 14 Musterberufsordnung zu beachten.

Demnach/Demzufolge muss die Honorarforderung des Arztes angemessen sein.

Für die Nachuntersuchung inklusive der Bewegungsanalyse erkennen wir die Ziffer 3 für die ausführliche Beratung und die Ziffer 7 für die vollständige körperliche Untersuchung an.

Die Erhebung aller relevanten Befunde, die für die Weiterbehandlung notwendig sind, sind mit diesem beiden Gebührenziffern abgegolten. Des Weiteren können noch Gebührenpositionen für die medizinische notwendige bildgebende Diagnostik in Ansatz gebracht werden (Sonographie/Röntgen/MRT). Für den anschließenden Befundbericht ist die Ziffer 75 erstattungsfähig.

Im Rahmen der Kulanz erkennen wir die auf der Honorarvereinbarung angegeben Ziffern 558, 506 und 842, jeweils zum Regelsatz der GOÄ an.

Eine Zusage der weiteren auf der Honorarvereinbarung angegeben Gebührenziffern kann nicht erfolgen, da diese Leistungen bei dem Zustand nach der Kreuzbandersatzplastik aus medizinischer Sicht nicht nachvollziehbar sind.

Die Höhe der einzelnen Gebühr bemisst sich nach dem 1- bis 3,5-fachen des Gebührensatzes (§ 5 GOÄ/GOZ). In der Regel darf eine Gebühr bis zum 1,15-fachen des Gebührensatzes bemessen werden. Ein Überschreiten dieser Gebührensätze (bis maximal 3,5-, 2,5- bzw. 1,3-fach) ist zulässig, wenn Besonderheiten der Bemessungskriterien das rechtfertigen. Der Arzt hat dies im Einzelfall gegenüber dem Patienten verständlich und nachvollziehbar schriftlich zu begründen (§ 12 GOÄ/GOZ).

Ebenso ist der Absatz in Bezug auf die Terminabsage nicht rechtsgültig.

Zusammenfassung:

Was als Ausweichmanöver unserer „unterbezahlten“ Ärzte startet kann für den einzelnen Patienten, Kunden schnell zum großen Problem ausarten. Denn wie will der normale Bürger einschätzen welche Leistungen wirklich nötig sind, welche Gebührenziffern überhaupt und dann nebeneinander abgerechnet werden dürfen. So fühlt sich der einzelne Bürger schnell den Leistungserbringern auf wirtschaftlicher Ebene ausgeliefert.

Ist die gesetzliche Krankenversicherung daher vielleicht doch die bessere Lösung?

Auch wenn Sie diese Erfahrungen dort sicher nicht erleben, kann das klar verneint werden. Denn regelmäßig werden GKV Versicherten diese Leistungen erst gar nicht zugänglich gemacht. Ja, auch diese werden am Meniskus operiert, jedoch regelmäßig in anderer Form. Vielleicht wird man Ihnen auch die besten Leistungen versprechen. Doch allein die Frage bleibt wie das möglich sein soll.

Beginnt die Diskussion des GKV Patienten in der Praxis bereits bei den Wartezeiten vor einem Orthopädenbesuch und Kernspintomografen (darf beim gesetzlich Versicherten per Gesetz nur in Schwerpunktkliniken erfolgen- also nicht beim Orthopäden!) und der tatsächlichen Operation. Dürfen auf Grund der Pharmagesetze nur bestimmte Medikamente verabreicht werden und selbst die eigentliche Versorgung wird durch einen Ausschuss gesetzlich vorgegeben. Daher kann kaum von gleicher Versorgung gesprochen werden…

Lösung:

  1. Kleine Behandlungen selbst auf Sinnhaftigkeit überprüfen. Nicht alles was verkauft wird, wird auch wirklich benötigt!
  2. Rechnungen immer auf wirklich erbrachte Leistungen hin überprüfen. Notfalls auch den Arzt direkt darauf ansprechen. Würden Sie im Supermarkt alles bezahlen was gebucht wurde?
  3. Bei größeren Behandlungen immer Rücksprache mit dem Versicherer oder qualifizierten Berater halten. Ja, es soll auch Berater geben die auch im Ernstfall noch ansprechbar sind…
  4. Größere Rechnungen immer erst vom Versicherer gegenprüfen lassen. Diese müssen ja nicht zwingend von dort abgerechnet werden. Doch die Überprüfung vor der Zahlung an den Leistungserbringer spart viel unnötigen Ärger im Nachgang.
  5. Wenn es zu Differenzen kommt? Zunächst ins persönliche Gespräch und zwischen Versicherer und Leistungserbringer die Argumente austauschen lassen. Auch hier zeigt sich die Betreuungsqualität Ihres Betreuers.
  6. Bei hochwertigen Anbietern (z.B. ARAG Krankenversicherung AG, etc.) gibt es die Möglichkeit der Abtretungserklärung. In diesem Moment übernimmt der Versicherer den direkten Kontakt. So sollte Service erlebbar werden.

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